Inhaltsverzeichnis

Für interessierte Laien

Was ist ESBL?

Was sind Carbapenemasen?

Woran erkenne ich eine Ansteckung durch „ESBL- oder Carbapenemase-Erreger“?

Wie macht sich eine Infektion durch „ESBL- oder Carbapenemase-Erreger“ bemerkbar?

Was ist das gefährliche an ESBL und Carbapenemasen?

Wie werden Bakterien mit ESBL oder Carbapenemasen übertragen?

Was bedeuten die Abkürzungen 3MRGN und 4MRGN?

Für das Fachpublikum

Allgemeines zu ESBL und Carbapenemasen

Wo finde ich Zahlen zur Häufigkeit von ESBL in Deutschland?

Wo finde ich Zahlen zur Häufigkeit von Carbapenemasen in Deutschland?

Untersuchung von Enterobacterales auf ESBL und Carbapenemasen

Wie werden ESBL bei Enterobacter spp., Citrobacter freundii, Serratia marcescens und Morganella morganii detektiert?

Müssen Spezies wie Stenotrophomonas maltophilia oder Burkholderia cepacia auf Carbapenemasen untersucht werden?

Reichen phänotypische Tests zur Carbapenemase-Detektion aus?

Welche einfachen Möglichkeiten der Carbapenemase-Detektion bei Enterobacterales gibt es?

Warum führt das NRZ nach wie vor den Modifizierten Hodge-Test durch?

Wird die Testung von Ertapenem bei Enterobacterales weiterhin empfohlen?

Wann sollten Enterobacterales auf Carbapenemasen untersucht werden?

Warum unterscheiden sich die Einsendekriterien des NRZ für Enterobacterales von den EUCAST screening cut-offs?

Welcher diagnostische Algorithmus wird vom NRZ für die Carbapenemasedetektion bei Enterobacterales empfohlen?

Gibt es speziesspezifische Besonderheiten bei der Carbapenemasedetektion?

Welche Konsequenz hat die Umbenennung von Enterobacter aerogenes in Klebsiella aerogenes für die Carbapenemasedetektion?

Welche Konsequenz hat die Umbenennung von Enterobacteriaceae in Enterobacterales für die Carbapenemasedetektion?

Screening auf Carbapenemase-produzierende Enterobacterales

Screening auf Carbapenemase-produzierende Enterobacterales: Welche Indikationen bestehen?

Screening auf Carbapenemase-produzierende Enterobacterales: Welche Probenlokalisationen sind geeignet?

Screening auf Carbapenemase-produzierende Enterobacterales: Welche Kulturmedien sollten angelegt werden?

Untersuchung von Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter spp. auf Carbapenemasen

Wann ist eine Untersuchung von P. aeruginosa oder Acinetobacter spp. auf Carbapenemasen sinnvoll?

Welcher Test ist bei Pseudomonas aeruginosa für die Carbapenemasedetektion empfehlenswert?

Welcher Test ist bei Acinetobacter baumannii für die Carbapenemasedetektion empfehlenswert?

Krankenhaushygienisches Vorgehen bei multiresistenten gramnegativen Bakterien

Welche Konsequenz hat die Neudefinition der I-Kategorie durch EUCAST für die MRGN-Klassifikation?

Wie soll ein Isolat der Acinetobacter baumannii-Gruppe per MRGN klassifiziert werden, wenn EUCAST für Penicilline und Cephalosporine keine Grenzwerte angibt?

Interpretation von Antibiogrammen und Therapie

Wie soll bei Nachweis von ESBL Piperacillin/Tazobactam befundet werden?

Wie sollen Carbapeneme bei Ausschluss einer Carbapenemase befundet werden?

Wie sollen Carbapeneme bei Nachweis einer Carbapenemase befundet werden (bei Enterobacterales)?



Für interessierte Laien

Was ist ESBL?

ESBL ist ein Oberbegriff für eine Gruppe von über 300 Enzymen, die von Bakterien produziert werden können und dann eine Resistenz gegenüber bestimmten Antibiotika verursachen. Die genetische Information (also der Bauplan) für diese Enzyme kann zwischen verschiedenen Bakterien ausgetauscht werden; dieser Austausch funktioniert sogar zwischen Bakterien unterschiedlicher Spezies (Arten).

Die ESBL-Enzyme sind in der Lage, bestimmte Antibiotika zu spalten, nämlich Penicilline und Cephalosporine. Dadurch verursachen sie eine Resistenz gegen diese Antibiotika, die zu den wichtigsten Substanzen zur Therapie von bakteriellen Infektionen gehören. Der Name ESBL steht für 'extended spectrum beta-lactamases' und erklärt sich dadurch, dass es sich um Enzyme handelt, die sogenannte Betalaktam-Antibiotika spalten. Da diese Enzyme nicht nur einige wenige, sondern viele Betalaktam-Antibiotika spalten können (nämlich sowohl Penicilline als auch Cephalosporine), spricht man von Betalaktamasen mit erweitertem (engl. extended) Spektrum.

ESBL-Enzyme kommen bei bestimmten Bakterien vor, nämlich den sogenannten Enterobacterales aus der Gruppe der gramnegativen Bakterien. Von besonderer Bedeutung sind ESBL bei den Bakterienarten Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae. ESBL sind bei E. coli und K. pneumoniae die häufigsten Ursachen einer Resistenz gegen Cephalosporine der dritten Generation.

Zur Therapie von Bakterien mit ESBL gibt es glücklicherweise noch sehr gut wirksame Alternativen, nämlich die sogenannten Carbapenem-Antibiotika (ebenfalls aus der Gruppe der Betalaktam-Antibiotika).


Was sind Carbapenemasen?

Carbapenemasen sind ebenfalls von Bakterien produzierte Enzyme, die genauso wie die ESBL-Enzyme Betalaktam-Antibiotika spalten können und damit eine Resistenz verursachen. Genauso wie bei ESBL kann die genetische Information zur Herstellung von Carbapenemasen zwischen Bakterien ausgetauscht werden. Der entscheidende Unterschied zu ESBL besteht darin, dass Carbapenemasen eben auch gegen Carbapenem-Antibiotika wirken. Bakterien mit Carbapenemasen haben üblicherweise auch andere Resistenzen erworben. Damit fallen bei Carbapenemase-produzierenden Bakterien fast alle Antibiotika mit sehr guter Wirksamkeit aus. Häufig stehen zur Therapie noch Alternativen zur Verfügung, aber es wird angenommen, dass diese Alternativen weniger wirksam sind als Carbapeneme oder unerwünschte Nebenwirkungen haben.

Es gibt sehr viele unterschiedliche Carbapenemasen, wobei KPC, VIM, NDM und OXA-48 die in Enterobacterales (z.B. Escherichia coli oder Klebsiella pneumoniae) bedeutendsten sind.


Woran erkenne ich eine Ansteckung durch „ESBL- oder Carbapenemase-Erreger“?

Eine Ansteckung durch „ESBL- oder Carbapenemase-Erreger“ (genauer müsste man sagen: Bakterien, die die Gene für ESBL oder Carbapenemasen tragen) ist ohne spezielle Untersuchungen nicht zu erkennen.


Wie macht sich eine Infektion durch „ESBL- oder Carbapenemase-Erreger“ bemerkbar?

Die Bakterien, bei denen ESBL oder Carbapenemasen gefunden werden (z. B. Escherichia coli oder Klebsiella pneumoniae), verursachen nur unter bestimmten Bedingungen eine Infektion. Meistens besiedeln sie lediglich den Menschen, ohne irgendeine Erkrankung oder sonstige Schädigung hervorzurufen. Zu den Erkrankungen, die prinzipiell durch solche Bakterien hervorgerufen werden können, zählen: Harnwegsinfektionen, Bauchfellentzündungen (Peritonitis), Lungenentzündungen (Pneumonie), Blutvergiftungen (Sepsis) oder Wundinfektionen. Abgesehen von den Harnwegsinfektionen treten diese Erkrankungen praktisch nur bei sehr schwer kranken Patienten auf, also z. B. bei Patienten auf Intensivstationen oder nach schweren Unfällen. Eine Infektion durch Bakterien mit ESBL oder Carbapenemasen ist dabei anhand der Symptome nicht von einer Infektion durch Bakterien ohne solche Resistenzmechanismen zu unterscheiden.


Was ist das gefährliche an ESBL und Carbapenemasen?

Bakterienarten, bei denen ESBL oder Carbapenemasen beobachtet werden (z.B. Escherichia coli oder Klebsiella pneumoniae), sind nicht prinzipiell krankmachend. Ganz im Gegenteil besiedeln diese Bakterien den Darm fast aller Menschen und gehören zur sogenannten „Darmflora“ und nehmen dort wichtige Funktionen wahr. Nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen lösen diese Bakterien Infektionen aus, z. B. bei sehr schwer kranken Patienten oder nach schweren Unfällen. Wenn es sich dann um ein resistentes Bakterium mit ESBL oder Carbapenemasen handelt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Patient in den ersten Tagen der Infektion (wenn Laboruntersuchungen noch nicht vorliegen) unabsichtlich mit einem falschen Antibiotikum behandelt wird. Dadurch kann sich für den Patienten auch das Risiko erhöhen, an der Infektion zu versterben. Nach dem heutigen Wissensstand sind Bakterien, die die Gene für ESBL oder Carbapenemasen tragen nicht virulenter (also aggressiver) als solche Bakterien ohne diese Gene.


Wie werden Bakterien mit ESBL oder Carbapenemasen übertragen?

Bakterien mit ESBL oder Carbapenemasen können den menschlichen Darm besiedeln. Sie werden durch Kontakt- und Schmierinfektionen übertragen.

Bakterien mit ESBL wurden auch bereits in Nahrungsmitteln gefunden und es wird vermutet, dass auch durch Nahrungsmittel eine übertragung erfolgen kann.


Was bedeuten die Abkürzungen 3MRGN und 4MRGN?

'MRGN' steht für 'Multiresistente gramnegative'. Die Zahlen 3 und 4 stehen hierbei für die Anzahl der Antibiotikaklassen, gegen die ein so bezeichnetes Bakterium resistent ist. Ein als 4MRGN klassifiziertes Escherichia coli-Isolat wäre demnach gegen die vier am häufigsten eingesetzten Antibiotikaklassen resistent. Bei einer Besiedlung oder einer Infektion mit einem solchen Bakterium müssen daher besondere Hygienemaßnahmen ergriffen werden, um die Weiterverbreitung dieses Bakteriums zu verhindern. Hierfür kommt i.d.R. eine Einzelzimmerisolierung im Krankenhaus zum Einsatz, verbunden mit weiteren zusätzlichen Hygienemaßnahmen (z.B. intensivierte Hände- und Oberflächendesinfektion).

Für das Fachpublikum

Allgemeines zu ESBL und Carbapenemasen

Wo finde ich Zahlen zur Häufigkeit von ESBL in Deutschland?

Nicht in allen Surveillance-Systemen werden ESBL explizit erfasst. Bei den Spezies Klebsiella pneumoniae und Escherichia coli kann dann die Resistenz gegenüber Cefotaxim und/oder Ceftazidim als guter Surrogatparameter für ESBL genutzt werden.

Daten zur Häufigkeit von Resistenzen in Deutschland finden sich an folgenden Stellen:


Wo finde ich Zahlen zur Häufigkeit von Carbapenemasen in Deutschland?

Die Daten des Nationalen Referenzzentrums für gramnegative Krankenhauserreger zur Prävalenz von Carbapenemasen in Deutschland werden regelmäßig im Epidemiologischen Bulletin des Robert Koch-Instituts veröffentlicht.


Untersuchung von Enterobacterales auf ESBL und Carbapenemasen

Wie werden ESBL bei Enterobacter spp., Citrobacter freundii, Serratia marcescens und Morganella morganii detektiert?

Diese Spezies tragen chromosomal-kodierte AmpC-Betalaktamasen, die im Regelfall nicht exprimiert werden und erst durch bestimmte Antibiotika induziert werden. Insbesondere bei Enterobacter spp. und C. freundii kann es durch Mutationen in regulatorischen Bereichen zu einer dauerhaften Expression der AmpC kommen. Durch die chromosomale AmpC ist bei diesen Spezies die ESBL-Diagnostik erheblich erschwert und nur mit aufwändigeren Verfahren möglich.

Eine routinemäßige Testung auf ESBL bei diesen Spezies wird vom NRZ für gramnegative Krankenhauserreger nicht empfohlen, da die therapeutische oder krankenhaushygienische Bedeutung einer Unterscheidung zwischen einer Resistenz gegenüber Cephalosporinen der dritten Generation durch ESBL oder AmpC-Betalaktamasen bei diesen Spezies marginal ist.

Sollte im Einzelfall dennoch eine Untersuchung auf ESBL erwünscht sein, gibt es mehrere Möglichkeiten:

  • durch einen DDST mit Amoxicillin/Clavulansäure-Plättchen in der Nachbarschaft zu Plättchen mit Cefotaxim, Ceftazidim und besonders Cefepim (nach dem ersten Ablesen kann es notwendig sein, den Test mit engeren oder weiteren Abständen zu wiederholen)
  • ESBL-Gradiententeststreifen oder Gradiententeststreifen für Cefepim (AmpC-Betalaktamasen hydrolysieren Cefepim kaum)
  • Durchführung von ESBL-Test auf Agar mit 200 mg/l Cloxacillin (Cloxacillin hemmt AmpC-Betalaktamasen)

Müssen Spezies wie Stenotrophomonas maltophilia oder Burkholderia cepacia auf Carbapenemasen untersucht werden?

Nein!

Bei den Spezies

  • Stenotrophomonas maltophilia
  • Elizabethkingia meningoseptica
  • Elizabethkingia miricola
  • Chryseobacterium indologenes
  • Chryseobacterium gleum
  • Burkholderia cepacia
  • Empedobacter brevis
  • Myroides odoratus
  • Myroides odoratimimus
  • Aeromonas hydrophila
  • Aeromonas veronii

gibt es intrinsische Carbapenemasen. Es handelt sich somit um eine Spezieseigenschaft. Von epidemiologischer Bedeutung sind nur erworbene Carbapenemasen.


Reichen phänotypische Tests zur Carbapenemasedetektion aus?

Ein negativer mCIM/zCIM oder negativer Modifizierter Hodge-Test kombiniert mit einem negativen EDTA-Test schließt eine Carbapenemase bei Enterobacterales nach wie vor mit hinreichender Sicherheit aus.

Positive Ergebnisse sollten generell durch molekularbiologische Methoden abgesichert werden, denn alle phänotypischen Testverfahren können zu einem gewissen Anteil falsch-positive Ergebnisse produzieren. Der Modifizierte Hodge-Test beispielsweise ist äußerst sensitiv (Ausnahme: NDM-Metallo-Betalaktamasen), besitzt jedoch eine geringe Spezifität (z.B. bei AmpC-Produzenten). Außerdem ist es bei vielen Carbapenemasen (z.B. Metallo-Betalaktamasen oder OXA-48-Varianten) für epidemiologische Zwecke noch interessant, den genauen Typ zu kennen.
Unter bestimmten Umständen (z. B. Untersuchung von Isolaten, die höchstwahrscheinlich zu einem bereits bekannten Ausbruch gehören) ist es aus pragmatischen Gründen akzeptabel, lediglich eine phänotypische Carbapenemase-Detektion durchzuführen.


Welche einfachen Möglichkeiten der Carbapenemasedetektion bei Enterobacterales gibt es?

Es gibt Testverfahren zum unspezifischen Nachweis von Carbapenemasen und Testverfahren zum Nachweis bestimmter Carbapenemasen.


    Testverfahren zum Nachweis irgendeiner Carbapenemase:

    Testverfahren zum Nachweis von KPC (oder anderen Klasse A-Carbapenemasen):

    Testverfahren zum Nachweis von Metallo-Betalaktamasen:

    • EDTA-Combined Disk Test (CDT)
    • Etest-MEROPENEM MBL
      (wichtig: der ursprüngliche Etest MBL mit Imipenem ist aufgrund des relativ hohen Konzentrationsbereichs für Enterobacterales ungeeignet!)

Warum führt das NRZ nach wie vor den Modifizierten Hodge-Test (MHT) durch?

Der MHT ist im NRZ in ein umfassendes Instrumentarium aus verschiedenen phänotypischen Tests eingebettet. Im Zusammenspiel mit diesen bietet er häufig zusätzliche Informationen, die andere Tests nicht bieten können. So deutet ein nur schwach positiver oder negativer MHT in Kombination mit einem positiven EDTA-Synergietest z.B. auf eine NDM-Metallobetalaktamase hin. Auch wird der MHT im NRZ auch auf Cloxacillin-haltigem Agar durchgeführt, was eine verbesserte Detektion von AmpC-Betalaktamasen ermöglicht. Ein deutlich positiver MHT in Verbindung mit einem Temocillin-Hemmhof von <11 mm deutet bei Enterobacterales hingegen auf eine OXA-48-Carbapenemase hin.

Zusammengefasst: Im Zusammenspiel mit anderen Tests bietet der MHT mehr Informationen als vergleichbare Tests, als Einzeltest ist er hingegen aufgrund zu geringer Sensitivität nicht geeignet.

Für niedergelassene Primärlabore empfiehlt das NRZ den MHT daher ausdrücklich nicht mehr!

Wird die Testung von Ertapenem bei Enterobacterales weiterhin empfohlen?

Das NRZ empfiehlt die Testung von Ertapenem vor allem bei E. coli, K. pneumoniae , K. variicola, K. oxytoca und Proteus spp., um OXA-48-like-produzierende Isolate, die keine zusätzliche ESBL tragen, nicht zu übersehen. Laut den Daten des NRZ betrifft dies ca. 15 % der OXA-48-like-produzierenden Enterobacterales in Deutschland. Auch bei Proteus spp. wird eine Testung von Ertapenem empfohlen, um OXA-23-produzierende Isolate detektieren zu können.


Wann sollten Enterobacterales auf Carbapenemasen untersucht werden?

Bei Enterobacterales ist eine Carbapenemase-Abklärung in folgenden Fällen sinnvoll:

  • verminderte Ertapenem-Empfindlichkeit (nach EUCAST):
    Agardiffusion (Ertapenem 10 μg): < 23 mm
    oder MHK: > 0,5 mg/l
  • oder verminderte Meropenem-Empfindlichkeit (nach EUCAST):
    Agardiffusion (Meropenem 10 μg): < 22 mm
    oder MHK: > 2 mg/l
  • oder verminderte Imipenem-Empfindlichkeit (nach EUCAST):
    Agardiffusion (Imipenem 10 μg): < 22 mm
    oder MHK: > 2 mg/l

  • Ausnahme 1: Bei Proteus spp., Providencia spp., Morganella morganii und Serratia marcescens ist eine isolierte MHK-Erhöhung für Imipenem bei unauffälligen MHKs für Ertapenem und Meropenem durch andere Mechanismen als Carbapenemasen bedingt und bedarf keiner weiteren Abklärung.
  • Ausnahme 2: Bei Enterobacter spp., Citrobacter freundii und Klebsiella aerogenes ist eine isolierte MHK-Erhöhung für Ertapenem bei unauffälligen MHKs für Imipenem und Meropenem durch andere Mechanismen als Carbapenemasen bedingt und bedarf keiner weiteren Abklärung.

Alternativ können auch die EUCAST screening cut-offs verwendet werden:


Agardiffusion

Mikrodilution

Ertapenem

< 25 mm

> 0,125 mg/L

Meropenem

< 28 mm*

> 0,125 mg/L

*Isolate mit einem Hemmhofdurchmesser von 25-27 mm brauchen nur weiter untersucht zu werden, wenn eine Resistenz gegen Piperacillin/Tazobactam und/oder Temocillin (<11 mm) vorliegt.

Warum unterscheiden sich die Einsendekriterien des NRZ für Enterobacterales von den EUCAST screening cut-offs?

Der Grund für die Unterschiede ist, dass die NRZ-Einsendekriterien auch Ausnahmen für Spezies mit intrinsischen Resistenzmechanismen definieren. Dadurch ist eine feinere Abstimmung bezüglich der genannten Grenzwerte möglich.
Die seit 2009 vom NRZ erhobenen Daten zeigen, dass zwischen unseren Einsendekriterien und den EUCAST screening cut-offs zur Carbapenemasedetektion bezüglich der Sensitivität kein Unterschied besteht.

Eine von uns durchgeführte Studie mit 226 Isolaten aus der Routinediagnostik konnte des Weiteren zeigen, dass die NRZ-Kriterien eine etwas höhere Spezifität bieten.
Wir empfehlen daher für eine verlässliche Carbapenemasedetektion weiterhin unsere Einsendekriterien.
Auch empfehlen wir weiterhin die Testung von Imipenem, da dieses Bestandteil der Meldepflichtkriterien für carbapenemminderempfindliche Enterobacterales in Deutschland ist.


Welcher diagnostische Algorithmus wird vom NRZ für die Carbapenemasedetektion bei Enterobacterales empfohlen?

Das NRZ für gramnegative Krankenhauserreger schlägt den folgenden systematischen Algorithmus vor. Selbstverständlich kann diese Stufendiagnostik auch abgekürzt werden, indem Tests vorgezogen werden:





Auch das NAK bietet Vorschläge zur Carbapenemasediagnostik an.

Gibt es speziesspezifische Besonderheiten bei der Carbapenemasedetektion?

Ja!

Aufgrund diverser intrinsischer Resistenzmechanismen gibt es bei folgenden Spezies Abweichungen:

    Proteus spp.:

    • nur Ertapenem und Meropenem werden berücksichtigt (Imipenem wird nicht berücksichtigt)

    Providencia spp., Morganella spp., Serratia spp.:

    • nur Ertapenem und Meropenem werden berücksichtigt (Imipenem wird nicht berücksichtigt)
    • der Modifizierte Hodge-Test (MHT) wird wegen einer hohen Rate an falsch-positiven Ergebnissen nicht empfohlen
    • basierend auf der Epidemiologie in Deutschland reicht aus pragmatischen Gründen aus: EDTA-Test und OXA-48-Detektion (PCR oder Immunochromatographie)

    Enterobacter cloacae-Komplex, Citrobacter freundii:

    • nur Imipenem und Meropenem werden berücksichtigt (Ertapenem wird nicht berücksichtigt)
    • der Modifizierte Hodge-Test (MHT) wird wegen einer hohen Rate an falsch-positiven Ergebnissen nicht empfohlen
    • basierend auf der Epidemiologie in Deutschland reicht derzeit aus pragmatischen Gründen aus: EDTA-Test und OXA-48-Detektion (PCR oder Immunochromatographie)

    Klebsiella aerogenes (früher: Enterobacter aerogenes):

    • nur Imipenem und Meropenem werden berücksichtigt – wenn überhaupt (Ertapenem wird nicht berücksichtigt)
    • der Modifizierte Hodge-Test (MHT) wird wegen einer hohen Rate an falsch-positiven Ergebnissen nicht empfohlen
    • Eine Carbapenemase bei K. aerogenes ist in Deutschland derzeit nur sehr selten Ursache für eine Carbapenemresistenz (in nur ca. 3 % der Fälle). Eine nähere Carbapenemaseuntersuchung ist daher auch nur sehr selten wirklich sinnvoll. Wenn überhaupt, dann: EDTA-Test und PCR auf OXA-48.

Welche Konsequenz hat die Umbenennung von Enterobacter aerogenes in Klebsiella aerogenes für die Carbapenemasedetektion?

Keine!

Die Biologie dieses Bakteriums ändert sich nur durch die Umbenennung logischerweise nicht, für die Carbapenemasedetektion bzw. deren Kriterien ändert sich also auch nichts.


Welche Konsequenz hat die Umbenennung von Enterobacteriaceae in Enterobacterales für die Carbapenemasedetektion?

Keine!

Die Umbenennung erfolgt aufgrund neuer Erkenntnisse bezüglich der genetischen Verwandschaft vieler Enterobacterales, was eine Neugruppierung und die Schaffung einer neuen taxonomischen Ordnung (= Enterobacterales) nötig machte.

Die Enterobacteriaceae (z.B. E. coli) sind nun eine Familie der Enterobacterales, zusammen mit den Budviciaceae, Erwiniaceae, Hafniaceae, Morganellaceae, Pectobacteriaceae und Yersiniaceae.

Die Biologie dieser Bakterien ändert sich dadurch natürlich nicht, für die Carbapenemasedetektion oder deren Notwendigkeit bei bestimmten Spezies ändert sich also auch nichts.



Screening auf Carbapenemase-produzierende Enterobacterales

Screening auf Carbapenemase-produzierende Enterobacterales: Welche Indikationen bestehen?

  • Patient war im Ausland hospitalisiert
    (aus pragmatischen Gründen: jegliches Ausland)
  • Patient war im Inland in Einrichtung mit bekannt hoher Rate an Carbapenemase-produzierenden Enterobacterales
  • Patient ist Kontaktpatient zu einem Patienten mit bekanntem Nachweis von Carbapenemase-produzierenden Enterobacterales

Screening auf Carbapenemase-produzierende Enterobacterales: Welche Probenlokalisationen sind geeignet?

  • Stuhl
  • Rektalabstrich
  • ggf. Trachealsekret
  • ggf. Wundabstrich

Screening auf Carbapenemase-produzierende Enterobacterales: Welche Kulturmedien sollten angelegt werden?

Die Verwendung eines Selektivagars ist auf jeden Fall zu empfehlen. Dabei kommen in Frage:


    chromogene ESBL-Screeningagarplatten

    • chromID ® ESBL
    • CHROMagar ESBL
    • Brilliance ® ESBL

    Hinweis: reine ESBL-Screeningplatten können OXA-48-like-Produzenten übersehen, die keine zusätzliche ESBL produzieren! Die Testung von Ertapenem wird daher bei E. coli, K. pneumoniae, K. variicola und K. oxytoca dringend empfohlen!


    Carbapenemase-Screeningplatten bzw. Screeningmedien

    • chromID Carba ®
    • chromID Carba Smart ® (zweigeteilte Platte zur verbesserten OXA-48-like-Detektion)
  • Supercarba Medium (Nordmann et al., J Clin Microbiol. 2012 Aug;50(8):2761-6)
    [Drigalski Agar, 0,25 mg/l Ertapenem, 70 mg/l ZnSO4, 250 mg/l Cloxacillin]
    Dieses Medium ist auch als chromogener Agar kommerziell erhältlich: CHROMagar mSuperCARBA
  • Brilliance ® CRE Agar
  • CHROMagar ® KPC (soll identische Rezeptur haben wie COLOREX ® KPC)
  • MacConkey-Agar mit 1 mg/L Imipenem


Anmerkungen zur derzeitigen Studienlage bzgl. der unterschiedlichen Selektivagarmedien:

  • Die ermittelten Sensitivitäten hängen sehr stark davon ab, welche Stämme untersucht wurden. Ergebnisse bisheriger Studien aus den USA, Griechenland oder Israel sind nicht auf Deutschland übertragbar, da OXA-48 produzierende Stämme in solchen Studien aufgrund einer dort anderen Epidemiologie häufig fehlen.
  • In vielen Studien mit chromogenen Agarmedien war die Sensitivität des chromID ® ESBL höher als die Sensitivität chromogener Agarmedien speziell zur Detektion von Carbapenemase-produzierender Stämme (wie chromID ® CARBA, Brilliance ® CRE, CHROMagar ® KPC):

    - Wilkinson et al., J Clin Microbiol. 2012 Sep;50(9):3102-4
    - Nordmann et al., J Clin Microbiol. 2012 Aug;50(8):2761-6
    - Carrer et al., J Clin Microbiol 2010; 48: 1913-1914
    - Hinić et al., J Microbiol Methods. 2017 Apr;135:66-68

    Dies erklärt sich dadurch, dass es Carbapenemase-produzierende Stämme mit niedriger Carbapenem-MHK gibt, die schwer zu detektieren sind.

  • Eine bekannte Limitation des chromID ® ESBL und anderer ESBL-Screeningplatten ist, dass OXA-48 produzierende Stämme ohne gleichzeitige ESBL oder AmpC nicht detektiert werden (OXA-48 produzierende Stämme mit Ko-Produktion einer ESBL und niedriger Carbapenem-MHK werden auf chromID ® ESBL jedoch gut detektiert)
  • Die Sensitivität des Supercarba medium nach Nordmann et al. ist für OXA-48 produzierende Stämme ohne gleichzeitige ESBL oder AmpC bessser, für Metallo-Betalaktamase-produzierende Stämme geringer als beim chromID ® ESBL
  • Rangliste der Sensitivitäten verschiedener chromogener Medien (höchste Sensitivität zuerst) nach Wilkinson et al. (J Clin Microbiol. 2012 Sep;50(9):3102-4):
    chromID ® ESBL > chromID ® CARBA > Brilliance ® CRE > COLOREX ® KPC = CHROMagar ® KPC


Untersuchung von Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter spp. auf Carbapenemasen

Wann ist eine Untersuchung von P. aeruginosa oder Acinetobacter spp. auf Carbapenemasen sinnvoll?

Eine Carbapenem-Resistenz bei P. aeruginosa kann durch eine Vielzahl unterschiedlicher Mechanismen bedingt sein, wobei nur selten eine Carbapenemase vorliegt (nur in ca. 30 % aller Fälle). Eine Carbapenemase-Abklärung ist daher nur in folgenden Fällen sinnvoll:

  • Imipenem-Resistenz (nach EUCAST):
    Agardiffusion (Imipenem 10 μg): < 20 mm oder MHK> 4 mg/l
  • und Meropenem-Resistenz (nach EUCAST):
    Agardiffusion (Meropenem 10 μg): < 18 mm oder MHK> 8 mg/l
  • und Ceftazidim-Resistenz (nach EUCAST):
    Agardiffusion (Ceftazidim 10 μg): < 17 mm oder MHK> 8 mg/l

Bei Acinetobacter spp. verhält sich dies anders, hier ist eine Carbapenemasedetektion bei folgendem Resistenzphänotyp empfohlen:

  • verminderte Imipenem-Empfindlichkeit (nach EUCAST):
    Agardiffusion (Imipenem 10 μg): < 24 mm oder MHK:> 2 mg/l
  • und verminderte Meropenem-Empfindlichkeit (nach EUCAST):
    Agardiffusion (Meropenem 10 μg): < 21 mm oder MHK:> 2 mg/l

Beachten Sie dazu auch unsere Einsendekriterien.

Welcher Test ist bei Pseudomonas aeruginosa für die Carbapenemasedetektion empfehlenswert?

Der Cloxacillin-combined-disk-Test nach Fournier et al. (J Clin Microbiol. 2013 Nov;51(11):3846-8) eignet sich hierfür sehr gut.
Der Test basiert darauf, dass eine große Menge Cloxacillin (4 mg) auf einem Imipenemplättchen die chromosomale AmpC-Betalaktamase inhibiert. Eine Hemmhofvergrößerung von < 6 mm ist dabei ein Hinweis darauf, dass sehr wahrscheinlich eine Carbapenemase vorliegt.
Verschiedene Evaluationen bescheinigen dem Test eine sehr gute Sensitivität und Spezifität (Fournier et al., J Clin Microbiol. 2013 Nov; 51(11): 3846–3848; Heinrichs et al., Eur J Clin Microbiol Infect Dis. 2015 Jul;34(7):1467-74), auch aus eigener Erfahrung an über 12.000 Isolaten kann das NRZ den Test bedenkenlos empfehlen.

Welcher Test ist bei Acinetobacter baumannii für die Carbapenemasedetektion empfehlenswert?

Die für andere Spezies empfohlenen Tests wie der mCIM oder der Modifizierte Hodge-Test sind für A. baumannii aufgrund geringer Sensitivität und Spezifität nicht geeignet.
So wurde der mCIM beispielsweise in einer großen Multicenterstudie für A. baumannii mit einer Sensitivität von 79,8 % und einer Spezifität von lediglich 52,9 % evaluiert (Simner et al., J Clin Microbiol. 2018 Jan; 56(1): e01369-17).
Da eine Carbapenemaseproduktion bei A. baumannii allerdings nahezu immer (lt. NRZ-Daten in 95-98 % der Fälle) mit einer Minderempfindlichkeit gegenüber Imipenem und Meropenem einhergeht (d.h. MHKs >2 mg/l), ist ein weiterer Test unserer Einschätzung nach nicht nötig.

Krankenhaushygienisches Vorgehen bei multiresistenten gramnegativen Bakterien

Die 2012 veröffentlichten Empfehlungen der KRINKO und die dazugehörigen Ergänzungen von 2014 und 2019 nennen eine Einzelzimmerisolierung in Risikobereichen bei Besiedlung oder Infektion mit einem als 3MRGN-klassifizierten Bakterium und eine Einzelzimmerisolierung bei Besiedlung oder Infektion mit einem als 4MRGN klassifizierten Bakterium als geeignete Hygienemaßnahme.

Bitte beachten Sie auch unsere FAQ zur MRGN-Klassifikation.

Welche Konsequenz hat die Neudefinition der I-Kategorie durch EUCAST für die MRGN-Klassifikation?

Die Neudefinition der I-Kategorie besagt, dass eine als „I“ interpretierte Resistenztestung ab 01.01.2019 ausschließlich bedeutet, dass ein Therapieerfolg mit diesem Antibiotikum bei Gabe einer hohen Dosis bzw. einer erhöhten Exposition des Erregers sehr wahrscheinlich ist. Das neue „I“ ist somit gleichbedeutend mit „sensibel (S) mit Dosierungsempfehlung“. Die bisherige Regelung der MRGN-Klassifikation, als I interpretierte Testergebnisse für Hygienezwecke als resistent (R) zu werten, ist daher nicht mehr definitionsgerecht.

Um die MRGN-Klassifikation dieser Neudefinition anzupassen, hat die KRINKO eine Ergänzung zur Empfehlung „Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Stäbchen“ (Bundesgesundheitsblatt 2012; 55, S. 1313) veröffentlicht (Epid Bull 2019;9:82 - 83 | DOI 10.25646/5916).

Diese Ergänzung legt dar, dass künftig bei Verwendung des EUCAST-Systems nur die mit „R“ bewerteten Antibiotika für die Klassifizierung als MRGN verwendet werden.

Da Carbapenemasen jedoch insbesondere bei Enterobacterales nicht immer eine Erhöhung der gemessenen Carbapenem-MHKs in den Bereich von „R“ bedingen müssen, ist es laut der Ergänzung der KRINKO-Empfehlung essentiell, dass das Labor ein geeignetes Verfahren zur Detektion von Carbapenemasen anwendet. In diesem Zusammenhang wird auf die EUCAST-Screening cut-offs zur Carbapenemasedetektion oder die Einsendekriterien des NRZ verwiesen.

Weiterführende Informationen sind auch auf der Homepage des NAK (http://www.nak-deutschland.org/das-neue-i.html) zu finden.

Bitte beachten Sie auch unsere FAQ zur MRGN-Klassifikation.

Wie soll ein Isolat der Acinetobacter baumannii-Gruppe per MRGN klassifiziert werden, wenn EUCAST für Penicilline und Cephalosporine keine Grenzwerte angibt?

EUCAST gibt keine Grenzwerte an, weil Penicilline und Cephalosporine bei diesen Spezies grundsätzlich keine geeigneten Antibiotika sind. Spezies der A. baumanni-Gruppe sind i.d.R. natürlich resistent gegenüber diesen Substanzen. Ein A. baumannii (oder eine Spezies der Gruppe) ist daher schon bei Speziesdiagnose mindestens ein 2MRGN-Neopäd. Ist das Isolat auch Ciprofloxacin-resistent, ist es als 3MRGN zu klassifizieren. Kommt noch eine Resistenz gegen Carbapeneme hinzu, ist es ein 4MRGN.

  • Wichtig: Spezies der A. baumannii-Gruppe werden sofort als 4MRGN klassifiziert, sobald die Carbapeneme resistent getestet wurden, unabhängig vom sonstigen Phänotyp! Ein A. baumannii, der zwar Ciprofloxacin-sensibel, aber Carbapenem-resistent ist, ist daher trotzdem ein 4MRGN!

Interpretation von Antibiogrammen und Therapie

Wie soll bei Nachweis von ESBL Piperacillin/Tazobactam befundet werden?

Die aktuelle EUCAST-Empfehlung hierzu ist, dass Piperacillin/Tazobactam so wie gemessen befundet werden soll (also unter Umständen auch 'sensibel'). Auch das deutsche NAK empfiehlt, Piperacillin/Tazobactam wie gemessen anzugeben, allerdings mit dem Hinweis, dass eine ausreichend hohe Dosis bzw. eine verlängerte Infusionsdauer verwendet werden muss.

Die Wirksamkeit von Betalaktam/Betalaktamaseinhibitor-Kombinationen bei ESBL-Produzenten ist zwar nach wie vor umstritten, es gibt inzwischen jedoch mehrere Studien, die einen mit Carbapenemen vergleichbaren therapeutischen Erfolg implizieren [Gutiérrez- Gutiérrez et al., Antimicrob Agents Chemother. 2016 Jun 20;60(7):4159-69; Ng et al., PLoS One. 2016 Apr 22;11(4):e0153696; Rodríguez-Baño et al., Clin Infect Dis. 2012 Jan 15;54(2):167-74].

Bei der übertragung der Ergebnisse dieser Studien auf die Situation in Deutschland ist dennoch zur Vorsicht zu raten, denn:

  • Die molekulare Epidemiologie von ESBLs unterscheidet sich zwischen verschiedenen Ländern teilweise massiv!

So ist die molekulare Epidemiologie von ESBLs in Spanien insbesondere in den Jahren, in denen viele dieser Studien durchgeführt wurden, anders als in Deutschland heute: In Spanien sind ca. 62% der ESBLs solche vom Typ CTX-M-14 oder CTX-M-9; nur 10% sind vom Typ CTX-M-15 (Rodríguez-Baño et al., JCM 2010; 48: 1726-1731).

In Deutschland sind den vorliegenden Daten zufolge CTX-M-14 und CTX-M-9 hingegen selten und es überwiegt CTX-M-15, nämlich in 50 bis 57,1% (Körber-Irrgang et al., ECCMID 2012, P1665; Mshana et al., BMC Infect Dis 2009; 9: 97).

Dies ist insofern bedeutsam, als dass CTX-M-15 üblicherweise assoziiert ist mit der OXA-1 Betalaktamase, die auf dem gleichen Plasmid liegt, allerdings nicht durch Betalaktamase-Inhibitoren gehemmt wird. Wenngleich es also keine direkten Daten zur Häufigkeit von OXA-1 bei deutschen ESBL-Isolaten gibt, muss dennoch angenommen werden, dass OXA-1 hierzulande relativ häufig ist. Damit hätten also vermutlich viele deutsche ESBL-Stämme einen Resistenzmechanismus gegen Piperacillin/Tazobactam.

Erschwerend kommt hinzu, dass eine Piperacillin/Tazobactam-Resistenz durch OXA-1 offenbar mit dem Vitek 2 schwer zu detektieren ist. In einer Studie hatte der Vitek 2 nur 14% der ESBLs mit zusätzlicher OXA-1 als resistent gegen Piperacillin/Tazobactam erkannt (Pitout et al., Int J Antimicrob Agents 2008; 32: 333-338). Mittlerweile werden weiterentwickelte Vitek-Karten angeboten. Publizierte Daten zur Performance dieser neuen Vitek-Karten bzw. von anderen automatisierten Verfahren wie dem Phoenix oder dem WalkAway bei OXA-1 produzierenden Stämmen liegen jedoch unseres Wissens nach weiterhin nicht vor.


Wie sollen Carbapeneme bei Ausschluss einer Carbapenemase befundet werden?

So wie gemessen. Dabei können die Ergebnisse für die einzelnen Carbapeneme durchaus unterschiedlich sein, z. B. kann Ertapenem resistent sein, Imipenem aber noch sensibel.


Wie sollen bei Enterobacterales Carbapeneme bei Nachweis einer Carbapenemase befundet werden?

Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten.
Es liegen nach wie vor nur wenig evidenzbasierte Daten vor, mit denen sich ein bestimmes Vorgehen absolut verlässlich begründen ließe.
EUCAST empfiehlt eindeutig, dass auch bei Vorliegen von Carbapenemasen die Messwerte so abgelesen werden sollen wie gemessen, d. h. es dürfte beispielsweise Meropenem als sensibel befundet werden, wenn es denn entsprechend gemessen wurde. Auch das deutsche NAK empfiehlt , die Carbapeneme wie gemessen anzugeben.

Dies wird dadurch begründet, dass es inzwischen mehrere Studien gibt, die eine erfolgreiche Therapie von Infektionen mit Carbapenemase-produzierenden Enterobacterales mit Carbapenemen, zumindest als Kombinationstherapie, belegen [Gutiérrez-Gutiérrez et al., Lancet Infect Dis. 2017;17(7):726-34; Tumbarello et al., J Antimicrob Chemother. 2015 Jul;70(7):2133-43; Falagas et al., Antimicrob Agents Chemother. 2014;58(2):654-63]

Ein weiteres Argument ist auch der Mangel an Alternativen: Bei Carbapenemase-produzierenden Enterobacterales stehen oft nur noch Antibiotika zur Verfügung, deren therapeutische Effizienz ebenfalls umstritten ist oder die aufgrund ihrer Toxizität problematisch sind (z.B. Colistin oder Tigecyclin).

Gegen dieses Vorgehen gibt es jedoch auch Argumente:

  • Ein Therapieversagen bei Vorliegen eines effektiven Resistenzmechanismus wie einer Carbapenemase erscheint aus theoretischer Sicht plausibel
  • Die Datenlage ist nach wie vor dürftig
  • auch Befürworter eines Einsatzes von Carbapenemen bei Carbapenemase-produzierenden Stämmen fordern besondere Therapiemodalitäten wie eine Kombinationstherapie, höhere Dosierungen und prolongierte Infusionen (z.B. Daikos et al., CMI 2011; 17: 1135-1141). Solche Maßnahmen könnten vergessen werden, wenn bestimmte Carbapeneme einfach mit 'sensibel' befundet werden
  • Antibiogramme werden nicht nur für die Therapie herangezogen, sondern auch bei krankenhaushygienischen überlegungungen berücksichtigt; es ist denkbar, dass die außergewöhnliche krankenhaushygienische Bedeutung von Carbapenemase-produzierenden Enterobacterales nicht erkannt wird, wenn bestimmte Carbapeneme einfach mit 'sensibel' befundet werden

    Hinweis: Bei Nachweis einer Carbapenemase ist ein Enterobacterales-Isolat nach den KRINKO-Empfehlungen als 4MRGN zu klassifizieren, unabhängig von allen anderen Testergebnissen!

Was ist die Empfehlung des NRZ?

Das NRZ empfiehlt wie EUCAST und das NAK, die Carbapeneme auch bei einem Carbapenemasenachweis wie gemessen auf dem Befund anzugeben. Dies muss jedoch einhergehen mit einem eindeutigen ergänzenden Kommentar, der unmissverständlich darauf hinweist, dass

  • bei Carbapenemase-produzierenden Isolaten infektiologischer Rat einzuholen ist
  • die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Carbapenemtherapie äußerst ungewiss ist
  • es sich um ein krankenhaushygienisch höchst bedeutsames Isolat handelt (4MRGN!)