Die akute bakterielle Meningitis ist trotz der Erfolge der Antibiotikatherapie mit einer Letalität von bis zu 30% behaftet; ohne Antibiotika allerdings liegt die Letalität weitaus höher (bis zu 90%). Die Meningitis tritt mit einer Inzidenz von 1-1,4/100.000 Einwohner auf. Insbesondere bei Kindern kann die Symptomatik am Beginn der Erkrankung unspezifisch sein, so dass hier nur der frühzeitige Verdacht vor Folgen schützt. Der Verdacht auf bakterielle Meningitis stellt einen mikrobiologischen Notfall dar, da der Liquor schnell verarbeitet werden muss und das eigentlich sehr schnell zur Verfügung stehende Grampräparat nicht immer leicht zu beurteilen ist.
Häufige Erreger der Meningitis sind:
Patienten |
Erreger |
---|---|
Neugeborene |
Streptococcus agalactiae |
Kinder |
Haemophilus influenzae (heute selten) |
Jugendliche und junge Erwachsene |
Neisseria meningitidis |
Erwachsene |
Streptococcus pneumoniae |
ältere Erwachsene |
Streptococcus pneumoniae |
Bei dem Genus Neisseria handelt es sich um gramnegative Diplokokken, deren wichtigste Vertreter für den Menschen N. meningitidis und N. gonorrhoeae sind.
N. meningitidis kommt nur beim Menschen vor und wird als normaler Bewohner des Nasen-Rachenraumes bei einem Teil gefunden. Pathogene Bedeutung erlangt er, wenn er dieSchleimhautbarriere überwindet, sich ausreichend vermehrt und mit dem Blutstrom verbreitet wird. Im Rahmen dieser Bakteriämie kann es zu einem Eindringen in die Meningen und den Liquorraum und damit zur Meningitis kommen.
Das Bild zeigt gramnegative Diplokokken in
einem Präparat aus Liquor bei Meningitis.
Meningokokken (N. meningitidis) verfügen über verschiedene Virulenzfaktoren, die ihnen eine Infektion ermöglichen. Wichtigster ist die Polysaccharidkapsel, von der es verschiedene Typen gibt.
Virulenzfaktoren von N. meningitidis:Wie andere gramnegative Bakterien verfügt N. meningitidis über Lipopolysaccharide, die für die schwere Symptomatik bei einer Meningokokkensepsis wesentlich verantwortlich sind. Durch Aktivierung des Gerinnungs- und des fibrinolytischen Systems kommt es zur disseminierten intravasalen Gerinnung bei erheblichem Verbrauch an Gerinnungsfaktoren, was großflächige Einblutungen in Haut und Organe zur Folge hat. Das Vollbild einer Meningokokkensepsis mit Hauteinblutungen und Blutungen in die Nebennieren wird als Waterhouse-Friederichsen-Syndrom bezeichnet.
Bei den Kapseltypen gibt es eine mit der Epidemiologie assoziierte Verteilung. Während die in den gemäßigten Klimaten vorherrschenden sporadischen Formen der Meningokokkenmeningitis häufig durch den Kapseltyp B verursacht sind, werden die epidemischen Formen in tropischen Ländern meist durch die Typen A und C verursacht. Interessant ist, dass das Polysaccharid des Kapseltyps B aus Polyneuraminsäure besteht, wogegen keine Antikörper produziert werden, da dieser Zucker auch auf menschlichen Zellen insbesondere als Bestandteil des NCAMs vorkommt. Die Kapsel von Meningokokken B ist identisch mit der von E. coli K1.
Bei vielen Meningitiserreger sind Kapseln die wichtigsten Virulenzfaktoren:
Bei diesen Bakterien handelt es sich um gramnegative Stäbchen, die in Präparaten häufig pleomorph - vielgestaltig - erscheinen. Es sind die Kapseltypen a-f bekannt, wobei der Typ b der wichtigste ist. Der Mikroorganismus siedelt physiologisch im Mund-Rachenraum vieler Menschen. Entsprechend ist er häufiger für Atemwegsinfektionen wie Sinusitis oder Otitis verantwortlich. Schwere Infektionen der Atemwege sind die Epiglottitis und die Pneumonie. Seltener sind Weichteilinfektionen, Osteomyelitis oder septische Arthritis.
Die schwerste Erkrankung durch H. influenzae ist aber die Meningitis, die insbesondere Kinder zwischen etwa 4-6 Monaten und 2 Jahren betrifft. Erklärlich ist diese Altersverteilung durch die Präsenz natürlicher, gegen die Kapsel (b) gerichteter Antikörper. Diese werden von der Mutter als IgG auf das Kind übertragen und vermitteln zunächst einen Schutz. Mit Verschwinden der Antikörper beginnt die vulnerable Phase, die bis zum Aufbau einer eigenen Antikörperantwort anhält.
Die Meningitis durch H. influenzae b ist seit Einführung der Impfung deutlich seltener geworden. Bei der Impfung war es wichtig, das Polysaccharid an ein Protein zu koppeln, um durch Prozessierung und Präsentierung des Proteinanteils auf den B-Zellen auch eine T-Zell-Antwort mit der entsprechenden Hilfe durch Zytokine zu erhalten.
H. influenzae benötigt besondere Wachstumsbedingungen. Er ist von Hämin (Faktor X) und NAD (Faktor V) abhängig, das in der Umgebung vorhanden sein muss. In-vitro wird diese Situation durch Supplementierung der Medien erreicht oder dadurch dass ein Bakterium, das diese Substanzen aus dem Blut freisetzt, gleichzeitig auf dem Nährmedium angezüchtet wird. Hierzu wird traditionell S. aureus verwandt. Weil dieses Bakterium den Haemophilus "ernährt" wird es auch als "Amme" bezeichnet. Eine Alternative ist das Erhitzen des Blutes während seiner Zugabe zum Agar. Dabei werden die Zellen zerstört und die Nährstoffe werden frei.
Ein S. aureus-Strich dient als Amme für H. influenzae. Mit größerer
Entfernung von der Amme wird das Wachstum schwächer.
Bei Atemwegsinfektionen kommt gelegentlich eine Mischinfektion mit S. aureus und H. influenzae vor. Dann kann das Ammenphänomen bereits auf den Primärplatten beobachtet werden.
Zum endgültigen Nachweis, dass das Bakterium von beiden Faktoren abhängig ist,
werden mit den Substanzen getränkte Plättchen auf einen einfachen Nähragar aufgebracht.
Wachstum darf sich dann nur um ein Plättchen mit beiden Substanzen zeigen.
Wichtistes Material ist der Liquor, der üblicherweise durch Lumbalpunktion gewonnen wird. Dieser muss so schnell wie möglich mikrobiologisch untersuchut werden, da bereits aus dem Grampräparat eine Erregerdiagnose möglich sein kann. Außerdem sind einige Menigitiserreger gegen längere Lagerung, insbesondere bei zu niedrigen Temperaturen, empfindlich. Daneben sollte auch (mindestens) eine Blutkultur entnommen werden, da aufgrund des Infektionsweges die Erreger auch in der Blutbahn angetroffen werden.
Die antimikrobielle Therapie der Meningitis muss sofort nach der Abnahme der Materialien für die Diagnostik erfolgen. Die natürliche Empfindlichkeit der Mikroorganismen stellt sich etwa folgendermaßen dar:
Erreger | typische Empfindlichkeit |
---|---|
N. meningitidis | Penicillin |
S. pneumoniae | Penicillin |
H. influenzae | Ampicillin |
S. agalactiae | Penicillin |
E. coli | Ampicillin |
Listeria monocytogenes | Ampicillin |
Es ist aber wichtig festzustellen, dass es gelegentlich Resistenzen von H. influenzae gegen Ampicillin gibt, die durch eine ß-Laktamase bedingt sind. Ebenso gibt es - allerdings deutlich häufiger - bei E. coli durch ß-Laktamase bedingte Resistenzen. In beiden Fällen wäre also ein gegen dies Enzym stabiler Ersatz wünschenswert. Dieser wird z.B. durch Cephalosporine geboten. Insbesondere die Cephalosporine der sog. III. Generation (Ceftriaxon, Cefotaxim) erfüllen diese Bedingung, sie sind ferner gegen S. pneumoniae und S. agalactiae wirksam. Günstigerweise wirken sie sogar gegen S. pneumoniae, die gegen Penicillin resistent sind. Problematisch allerdings ist ihr Einsatz gegen Listerien, denn diese Bakterien sind gegen Cephalosporine natürlich resistent. Wenn Listerien für die Meningitis verantwortlich sein könnten, sollte daher Ampicillin zusätzlich zum Cephalosporin gegeben werden.
Mögliche Strategien der Meningitistherapie
Patienten |
Erreger |
Therapie |
---|---|---|
Neugeborene |
Streptococcus agalactiae |
Cefotaxim (Ceftriaxon) und Ampicillin |
Kinder |
Haemophilus influenzae (heute selten) |
Cefotaxim (Ceftriaxon) |
Jugendliche und junge Erwachsene |
Neisseria meningitidis |
Cefotaxim (Ceftriaxon), evtl. Penicillin |
Erwachsene |
Streptococcus pneumoniae |
Cefotaxim (Ceftriaxon), evtl. Penicillin |
ältere Erwachsene |
Streptococcus pneumoniae |
Cefotaxim (Ceftriaxon) und Ampicillin |
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